Klaus-Dieter Lehmann
gestorben am 15.05.2002
in Neubrandenburg
Klaus Dieter Lehmann wurde am 15. Mai 2002 in Neubrandenburg von zwei Neonazi-Skins brutal erschlagen. Die Männer, die zunächst den Abend mit ihm verbrachten, sagten später bei der Polizei aus, sie wären wegen »frecher Sätze« von ihm genervt gewesen. Sie attackierten den 19-Jährigen in einer dunklen Seitenstraße, schlugen auf ihn ein und traten ihn mit Stahlkappenschuhen – auch als er schon wehrlos am Boden lag.
Klaus Dieter Lehmann wurde im Jahr 1983 in Waren geboren. Mit 19 Jahren zog er aus seinem Geburtsort an der Müritz in eine betreute Wohngemeinschaft nach Neubrandenburg. Wegen einer angeborenen Herzkrankheit und einer akzentuierten Persönlichkeitsstörung war er auf Unterstützung in der Bewältigung seines Alltags angewiesen. In der neuen Stadt fand er Arbeit in einer Tischlerei, was ihm, nach Aussage seines Vaters, großen Spaß bereitete. Er fühlte sich wohl in Neubrandenburg. Alles sah danach aus, als ob Klaus Dieter Lehmann bald anfangen könnte, ein selbstbestimmtes Leben zu leben. Von seinem Umfeld wurde er als sehr offenherzig und kommunikativ beschrieben und lernte dadurch ständig neue Leute kennen. Für seine betreuende Sozialarbeiterin war er jemand, »der das Leben liebte«12002 – taz – Nur ein ganz normaler Totschlag.
Die Tat
Am Abend des 15. Mai 2002 scheint Klaus Dieter Lehmann völlig arglos gewesen zu sein, als er zufällig zwei 17 beziehungsweise 20 Jahre alte Neonazi-Skinheads kennenlernt und mit ihnen und zwei Freundinnen den Abend verbringt. Nach einer Weile beschließen die drei jungen Männer, gemeinsam zum Baden an einen See zu fahren. Um seine Badesachen zu holen, machen sie einen Umweg zur Wohnung Klaus Dieter Lehmanns. Dort angekommen bemerken die Rechten Poster schwarzer Musiker an den Wänden und reißen diese herunter. Später vor Gericht begründeten sie ihr Vorgehen mit ihrer rassistischen Einstellung. Klaus Dieter Lehmann schließt sich den beiden dennoch in Richtung des Badesees an. Nach Angaben der Täter kommt es auf dem Weg dorthin zu einem Streit, weil sie sich von Klaus Dieter Lehmann und »seinem Gerede« provoziert gefühlt hätten. Sie drängen ihn daraufhin in eine unbeleuchtete Seitenstraße, wo ihm der ältere der beiden Angreifer, Andreas L., mehrere Faustschläge versetzt. Anschließend tritt der Jüngere mit Stahlkappenschuhen auf das am Boden liegende Opfer ein und macht auch dann weiter, als Klaus Dieter Lehmann aufhört, sich körperlich zu wehren und nur noch weinend am Boden liegt. Die Täter lassen erst von ihm ab und flüchten, als sie bemerken, dass sich zwei Zeug:innen der dunklen Seitenstraße nähern. Diese finden Klaus Dieter Lehmann kurze Zeit später und verständigen sofort den Rettungsdienst. Für den 19-Jährigen kommt jedoch jede Hilfe zu spät. Er verstirbt noch auf dem Weg ins Krankenhaus.
Festnahme der Täter und Strafprozess
Einige Tage später wurden die Täter nach Hinweisen durch eine der beiden Frauen, die mit Klaus Dieter Lehmann und seinen späteren Peinigern noch den Anfang des Abends verbracht hatten, verhaftet und wegen Totschlags angeklagt. Obwohl der ermittelnde Oberstaatsanwalt gegenüber der Lokalzeitung Nordkurier zugab, dass die Täter »Rechtssein toll fanden und die berühmten kurzen Haare und Stiefel trugen«22002 – taz – Nur ein ganz normaler Totschlag, spielte ihre politische Überzeugung im Prozess, der im November 2002 vor dem Landgericht Neubrandenburg begann, keine weitere Rolle.
Dabei wurde gegen den 20-jährigen Andreas L. ein Vorfall mitverhandelt, der sich nur wenige Monate vor dem tödlichen Angriff auf Klaus Dieter Lehmann zugetragen hatte und bei dem L. mit einer Schreckschusspistole auf einen von ihm als politischen Gegner wahrgenommenen Mann schoss.
Bezogen auf den Angriff auf Klaus Dieter Lehmann glaubte das Gericht Andreas L.’s Aussage, sich nicht mehr an den Tathergang erinnern zu können. Somit konnte der Verdacht des Totschlags gegen ihn nicht erhärtet werden. Lediglich die Faustschläge, die Klaus Dieter Lehmann zu Boden brachten, ließen sich zweifelsfrei zuordnen. Der zum Tatzeitpunkt 20-Jährige wurde nach Jugendstrafrecht wegen Körperverletzung und zweimal gefährlicher Körperverletzung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Bei dem 17-jährigen Angreifer stellte das Gericht hingegen »ein erhebliches Maß an Gefühlskälte« fest und verurteilte ihn wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren und neun Monaten Jugendstrafe.
Fehlende Anerkennung
Für die Eltern Klaus Dieter Lehmanns, die den Prozess als Nebenkläger:innen verfolgten, stand dieses Urteil nicht im Verhältnis zum Verlust ihres Sohnes. Sie hatten bei der Bewältigung der Tat auf mehr Unterstützung von staatlicher Seite gehofft32002 – Nordkurier – Trauernde Eltern fühlen sich allein gelassen und verließen den Gerichtssaal letztlich enttäuscht.
Klaus Dieter Lehmann wird bis heute vom Staat nicht als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt. Ein Anspruch auf finanzielle Entschädigung seitens des Staates bleibt seinen Angehörigen so verwehrt.
Ein Gedenken vor Ort gibt es nicht.