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KEIN VERGESSEN.

TODESOPFER RECHTER GEWALT IN M-V

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Die Gedenkinitiative zu Dragomir Christinel

Im nachfolgenden Text erläutern Pro Bleiberecht und die AJZ Kita, wie die gemeinsame Gedenkinitiative entstanden ist, warum wir uns für ein öffentliches Gedenken an Dragomir Christinel einsetzen, was bisher initiiert wurde und wie es weitergehen soll.

Impuls zum Gedenken von Pro Bleiberecht

2018 und 2019 beschäftigte sich Pro Bleiberecht, eine mv-weit tätige antirassistische Initiative, mit Fragen des Gedenkens an rassistische Gewalt. Dazu recherchierten wir u.a., wer in MV an rassistischer Gewalt gestorben ist. Die Idee entstand aus dem Verständnis heraus, dass rassistische Gewalt und Anschläge niemals Einzeltaten sind, sondern wir sie in ihrer Kontinuität verstehen müssen. Nur wenn wir verstehen warum Rassismus in unserer Gesellschaft von Dauer ist, können wir ihn wirksam bekämpfen. Erinnern heißt verändern.

Wir haben uns bei der Recherche auf die Opfer mit Fluchthintergrund konzentriert – also diejenigen, die ein Asylverfahren in Deutschland durchlaufen oder begonnen hatten – da die Kritik am institutionellen Rassismus des deutschen Asylsystems unser Kernanliegen ist. Neben Mehmet Turgut stießen wir auf Mohamed Belhadj und Dragomir Christinel . Wir konzentrierten uns zunächst auf Dragomir Christinel, weil wir uns im Rahmen des Gedenkens an das Pogrom in Rostock-Lichtenhagen bereits mit der rassistischen Gewalt der Nachwendezeit beschäftigt hatten.

In relativ kurzer Zeit sammelten wir Anfang 2019 die verfügbaren Informationen über Dragomir Christinel. Unterstützt wurden wir hierbei vom Lichtenhagen Archiv, die zeitgeschichtliche Dokumente von Anfang der 1990er sammeln und sich bereits mit dem Tod von Dragomir Christinel befasst hatten.

Es ist nicht viel, was man zu Dragomir Christinel findet. Denn der Angriff auf die Saaler Unterkunft hat bisher keinen Platz im sichtbaren gesamtgesellschaftlichen Gedächtnis. Insofern war schnell klar, dass das Erinnern öffentlich angestoßen werden muss, um Bruchstücke dessen, was 1992 in Saal geschehen ist, überhaupt erst aufzudecken. Erinnern und Gedenken gehen hier Hand in Hand und brauchen die Verwurzelung vor Ort: In Ribnitz-Damgarten und in Saal. So kontaktierten wir das AJZ Kita, mit dem wir unsere antifaschistische Haltung teilen. Gemeinsam initiierten wir die Gedenkinitiative, die 2019, 2020 sowie zum 30. Todestag 2022 öffentlich gedachte und sich um die Sichtbarkeit des Gedenkens im öffentlichen Raum in Ribnitz-Damgarten bemüht.

Motivation der AJZ Kita

Ende 2018 kamen Personen von Pro Bleiberecht mit der Frage auf uns zu, ob wir etwas über den Tod von Dragomir Christinel von 1992 wüssten bzw. wir uns mal mit dem Fall beschäftigt hätten. Da dies bei uns quasi in der Nachbarschaft war und niemand so richtig etwas darüber wusste, sind wir etwas aufgeschreckt wie sowas in Vergessenheit kommen konnte. Wir hatten dann zusammen mit Pro Bleiberecht einen Informationsabend im AJZ in Ribnitz gemacht, wo wir einige Personen aus unseren Umfeld einluden, die zu der Zeit schon etwas älter waren und auch die Täter aus der Jugendzeit kannten. Das war ein sehr interessanter Abend mit vielen Randinformationen zum gesamten Tathergang und auch Infos zu den Tätern, wie sie sich im Alltag gaben, wie sie sich entwickelt haben und vieles mehr.

Dann ist es im Jahr 2019 zum ersten kleinen Gedenken vor Ort in Saal mit Pro Bleiberecht, einigen Aktivist*innen aus dem Komplex Schwerin und dem AJZ Kita e.V. mit einem Transpi gekommen. Im Jahr 2020 wurde dies etwas mehr intensiviert mit zwei Infoveranstaltungen, eine in Rostock und eine in Ribnitz-Damgarten. Am 14.3.2020 gab es auch eine Mahnwache mit Kranzniederlegung am Rathaus in Ribnitz.

Wir wollen, dass der Mord nicht vergessen wird und dass es ein würdiges Gedenken an Dragomir Christinel gibt, nicht nur von Aktivist*innen, sondern auch ein offizielles Gedenken seitens der Stadt Ribnitz-Damgarten (welche zum Tatzeitpunkt noch Kreisstadt war).

Der Haupttäter kommt aus unserer Stadt. Die erste rassistische Provokation gegen die Asylsuchenden aus Saal war in der Disko in Petersdorf, welches zu Ribnitz gehört. Der Mord wurde zwar in Saal verübt – welches jetzt zu einem anderen Kreis bzw. Kommune gehört – aber wir sind uns im AJZ einig, dass das Gedenken trotzdem nach Ribnitz-Damgarten gehört, alleine um mehr Aufmerksamkeit zu generieren. Sodass auch die heutige Jugend erinnert wird, dass solche Taten nicht weit weg sind bzw. waren, sondern auch mitten in unserer Bernsteinstadt passiert sind. Sowas darf sich nicht wiederholen.

Erschreckend ist, dass der erste Mord von Nazis nach der Wende in M-V bei uns passiert ist und wir es selbst nicht auf den Schirm hatten. Daher wollen wir uns dafür zusammen mit Pro Bleiberecht einsetzen: Für ein würdiges Gedenken. Zum 30. Jahrestag im Jahr 2022 enthüllten wir ein Graffiti mit dem Gesicht über dem Eingang zu unserem Haus. Dies möchten wir so lange dort stehen lassen, bis es einen eingerichteten Gedenkort für Dragomir Christinel gibt.

Wie weiter?

Zu unseren Forderungen zählen:

Die Errichtung und Finanzierung eines Gedenkorts von kommunaler Seite. Kommunale Politik muss an den schrecklichen rassistischen Mord erinnern und ihn aufarbeiten. Die Errichtung eínes öffentlichen Gedenkortes kann hier der Anfang eines Prozesses sein.
Den Einbezug von Angehörigen, Familie und Zeitzeug*innen von Dragomir Christinel in die Planung des Gedenkens und Anerkennung ihrer Forderungen aus Betroffenenperspektive.
Die Etablierung einer jährlichen Gedankveranstaltung an dem zu errichtenden Gedenkort. Als Erinnerung und Mahnung, als Zeichen gegen Neonazis und rassistische Gewalt, als Zeichen für die Würde eines jeden Menschen – unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus.

Das Erinnern und Mahnen an rassistische Verbrechen der Vergangenheit sind wichtige Beiträge um rechte und autoritäre Ideologien in der Gegenwart zu bekämpfen. Rassismus und rechte Weltbilder gehen immer mit Gewalt einher. Für viele Migant*innen und Asylsuchende bedeutet Mecklenburg-Vorpommern genau das: Die Gefahr rassistischer Gewalt, Beleidigungen, Bedrohungen. Wir müssen uns bewusst machen, dass rechte Gewalt ein Teil dieser Gesellschaft ist, den wir fortwährend zurückdrängen müssen.

Bis heute sind viele Fragen offen: Es besteht kein Kontakt zu Freund*innen und der Familie von Dragomir Christinel, wir suchen diesen aber dringend.
Auch Faktenwissen fehlt: Wo ist Dragomir Christinel beerdigt? Was geschah mit den Asylsuchenden, nachdem die Unterkunft in Saal geschlossen wurde? Wurde das Urteil gegen den Haupttäter rechtskräftig?

Wir hoffen, dass das Gedenken das Interesse verschiedener Akteur*innen weckt und wir in der Zukunft auf mehr Fragen Antworten finden. Wir werden gemeinsam daran arbeiten.

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