Olaf Jeschke
gestorben am 28.11.1996
in Usedom
Olaf Jeschke wurde am 28. November 1996 schwer verletzt und unterkühlt auf dem Gelände eines ehemaligen Ferienlagers in der Stadt Usedom gefunden und verstarb wenige Stunden später im Krankenhaus. Erst in der Gerichtsmedizin wurde festgestellt, dass er mehrere gebrochene Rippen und eine Armfraktur hatte, die nur durch massive Gewalteinwirkung entstanden sein können. Die Täter wurden fast drei Jahre später durch einen Hinweis ermittelt und gestanden die Tat. Sie hätten »Lust am Schlagen« gehabt. Aufgrund der rechten Gesinnung mindestens eines der Täter und der Opferauswahl, die Olaf Jeschke als Wohnungslosen traf, ist von einer rechten Tatmotivation auszugehen.
Olaf Jeschke wurde am 22. August 1952 in Usedom auf der gleichnamigen Insel geboren. Über sein Leben ist bislang nur wenig bekannt. In der vereinzelten Berichterstattung zu seinem Tod wurde er zumeist nur als »ein Obdachloser« beschrieben und so auf seine Wohnungslosigkeit reduziert. Über sein Leben liegen bislang nur Informationen von DDR-Behörden vor, deren Repression er ausgesetzt war. Bereits als junger Mann wurde er von dem bevormundenden System erfasst.
Olaf Jeschke machte seinen Schulabschluss in der 8. Klasse und absolvierte im Anschluss eine Ausbildung zum Betonbauer. Danach leistete er den Militärdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA).
Ab 1974 arbeitete er vier Jahre als Maurer in Stralsund für das »Industriebaukombinat Rostock«. Nachdem er 1978 wegen »Alkoholmißbrauch im Betrieb« aus seinem Wohnheim verwiesen wurde, kündigte er. Dass er keine neue feste Arbeit annimmt gilt den DDR Behörden bereits als »Gefährdungserscheinung«.
Vermutlich beschloss Olaf Jeschke sich auf eigene Faust durchzuschlagen. Er war in Wolgast, auf Usedom und der Halbinsel Zingst unterwegs und und arbeitete bei privaten Eigenheimbauern gegen Bargeld. Aufgrund des Mangels an Handwerksbetrieben erledigten die sogenannten »Feierabendbrigaden« nach Dienstschluss häufig Handwerksarbeiten in Privathaushalten für einen kleinen Zuverdienst. Der Staat duldete diese Praxis, weil keine strukturellen Änderungen gewollt waren und so der private Wohnungsbau vorangetrieben wurden konnte ohne sich ideologisch dazu zu positionieren.
Im Kreis Usedom/Zingst wurde diese zunehmende sog. »Schwarzarbeit« als Problem betrachtet, aber kaum verfolgt. Im Fall Olaf Jeschkes kam jedoch dazu, dass er seinen regulären Job gekündigt hatte und sich damit auch dem Einfluss von Betrieb und staatlichen Kontrollinstanzen entzog. So hatte er keinen festen Wohnsitz, schlief bei Bekannten, mal in Bushaltestellen, mal am Strand in Strandkörben, mal in einem Stall und trank häufig Alkohol.
Dass er sich der Kontrolle der DDR-Organe entzog, führte zu weiteren Maßnahmen und der Bewertung: »Dies ist asozial und gefährdet die Arbeitsdisziplin in den Betrieben erheblich, folgt den Wünschen des Klassengegners zur Aufweichung der Arbeitsdisziplin, die jedoch zwecks Hebung des Volkswohlstandes objektiv notwendig und erforderlich ist.«
Somit folgte eine Verurteilung im Rahmen des sogenannten Asozialenparagraphen: »Es ist hierdurch erwiesen, daß der Angeklagte sich durch Nichtarbeit – obwohl er gesund und arbeitsfähig war – des asozialen Verhaltens gemäß 9 Abs 1 StGP schuldig gemacht hat.»
Der Sicherheitsapparat diagnostizierte eine »mittlere Schwere der Asozialität« und so wurde Olaf Jeschke 1979 das erste mal für ein Jahr wegen »asozialen Verhaltens« zu einem Jahr Haft verurteilt. Da Olaf Jeschkes Mutter nicht mehr bereit gewesen sei, ihn bei sich aufzunehmen und sich von ihm distanziert habe, wurden ihm nach Haftende ein Zimmer in einem Wohnheim und Arbeit in einer Milchviehanlage als Viehpfleger zugewiesen. Dort erweckte es zunächst den Anschein als hätte er sich wohlgefühlt. Doch letztlich zog es Olaf Jescke erneut nach Zingst und er blieb der Arbeit fern. Dieses »nicht den Normen entsprechende Verhalten« führte zu einer erneuten Verurteilung.
Nach Aussage der Strafanstalt Rostock-Warnemünde, war Olaf Jeschke »ruhig, diszipliniert und höflich gegenüber Mitgefangenen« und so wurde er nach der Haft, wieder an seiner alten Arbeitsstelle eingegliedert. Doch dort erwartete man, dass er bald wieder ins Gefängnis müsste – wegen »seiner labilen Lebensweise«. Den Druck von der LPG bekam Olaf Jeschke immer wieder in Gesprächen zu spüren, den er jedoch abwimmeln versuchte.
Neuerliche Fehltage und kleineren vergehen wie externen Arbeiten gegen Bargeld, betrunkenem Fahrradfahren und »Diebstahl sozialistischen Eigentums« und eine in den Vordergrund rückende Alkoholabhängigkeit brachten Olaf Jeschke neue Auflagen ein – der Aufenthalt in bestimmten Wohnungen und der »Kontakt zu anderen Kriminellen« wurde ihm untersagt.
Die Vorwürfe und Sanktionen schienen ihn jedoch nicht zu beeindrucken. So entgegnet Olaf Jeschke im Gespräch mit den zuständigen Behörden: »Na gut, dann gehe ich eben morgen wieder zu Arbeit.« In Bezug auf eine angedrohte, neuerliche Haftstrafte, wird er mit »8 Monate kriege ich schon rum« zitiert.
Auch nach dem Zusammenbruch der DDR setzte sich die Stigmatisierung alkoholkranker und arbeitsloser Menschen weiter fort. Der Strudel der Transformationsgesellschaft und das Wegfallen des alten, paternalistischen Netzes zwischen Bevormundung und Drangsalierung hatten zur Folge, dass Wohnungslose oder Menschen, die anderweitig als »gescheitert« galten zur Zielscheibe und quasi vogelfrei für jene wurden, die in eigener Bedrängnis nach unten treten wollten. Es ist nicht bekannt, wie Olaf Jeschke diese ersten Nachwende-Jahre bestritten und erlebt hat.
Die Tat
Als er in der Nacht zum 28. November 1996 auf seine Peiniger traf, war er zum Schlafen in einer leerstehenden Baracke und muss völlig arglos gewesen sein. Die damals 19- und 20-Jährigen Männer haben ihn in seinem Unterschlupf aufgesucht und brutal auf ihn eingeschlagen und -getreten. Später riefen sie selbst den Notarzt und gaben sich dabei als Passanten aus. Olaf Jeschke war nicht mehr bei Bewusstsein und verstarb noch am Abend im Krankenhaus. Erst wenige Tage später konnte die Gerichtsmedizin die gewaltsam zugefügten Verletzungen feststellen.
Späte Aufklärung und Prozess
Ein Tatverdacht gegen einen 19-Jährigen vorbestraften Neonazi und den 20-Jährigen Mittäter konnte dieser Zeit nicht erhärtet werden. Erst Anfang 2001 führt ein Zeug:innen-Hinweis zu Haftbefehlen gegen die mittlerweile 23- und 24-Jährigen Männer und letztlich schnell zu ihrer Festnahme. Beide zeigten sich geständig und gaben als Motiv »Lust am Schlagen« an. Die Behörden und auch die damalige Öffentlichkeit schienen dieser Entpolitisierung rechter Gewalt als »Frustabbau« oder motiviert durch »Langeweile« zu folgen. Der Tod von Olaf Jeschke blieb somit über viele Jahre weitgehend unbekannt und tauchte nirgendwo auch nur als Verdachtsfall auf – über den Ausgang des Strafverfahrens liegen derzeit keine Informationen vor.
Wie die vielen Fälle von Gewalt gegen Wohnungslose oder Menschen, die anderweitig als »gescheitert« gelten, zeigen, ist schon die bloße Auswahl der Opfer geprägt von einer ideologisch untermauerten Ungleichwertigkeitsvorstellung mit langer Tradition, die dann mit tödlicher Gewalt umgesetzt wird. Die Niedertracht der Taten ist durch die vorausgesetzte Wehrlosigkeit der Opfer und der Gleichgültigkeit der Gesellschaft belegt.
Olaf Jeschke ist das erste bekannte Todesopfer in Mecklenburg-Vorpommern, dass diese Menschenverachtung gegenüber denen, die nicht konform leben können oder wollen mit dem Leben bezahlte. Er ist als Todesopfer rechter Gewalt staatlich nicht anerkannt.